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50 Milliarden für die Kliniken – und vieles bleibt, wie es war

Quälend lange ging es zwischen Bund und Ländern hin und her. Am heutigen Mittwoch hat das Bundeskabinett die Krankenhausreform von Gesundheitsministerin Nina Warken endlich beschlossen. Die CDU-Politikerin stand in den vergangenen Monaten unter massivem Druck von Interessenverbänden und Landesministern. Die Kritiker der Reform erreichten, dass Mindestkriterien für die Qualität der medizinischen Behandlung abgeschwächt wurden. Auch übernimmt der Bund einen um vier Milliarden Euro größeren Anteil am 50-Milliarden-Euro-Transformationsfonds.

Deutschland gilt als überversorgt mit Kliniken. Viele Standorte sind zu klein, um auch bei schwierigen Krankheitsbildern verlässlich gute Behandlungsqualität leisten zu können. Die Landesregierungen fürchten aber den Unmut der Wähler, wenn Standorte geschlossen werden, vor allem in dünn besiedelten ländlichen Gebieten. Nach dem Grundsatz „besser ein schlechtes Krankenhaus als gar keines“ drängten sie auf weitgehende Ausnahmeregelungen.

Der Konflikt entzündete sich unter anderem an den sogenannten Leistungsgruppen. Warkens Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) wollte sie einführen, um die Qualität sicherzustellen. Die Leistungsgruppen entscheiden darüber, welche Therapien und welche Diagnostik eine Klinik mit den Krankenkassen abrechnen darf. Nur wirklich exzellente Medizin soll mit Beitragsgeldern finanziert werden, so der Gedanke dahinter.

Spricht von einer "Rückabwicklung" der ursprünglichen Reform: Gesundheitspolitiker Dahmen
Spricht von einer „Rückabwicklung“ der ursprünglichen Reform: Gesundheitspolitiker Dahmen

Mit Rücksicht auf die Länder wurden die Vorgaben gelockert. So dürfen die Länder nach dem aktuellen Gesetzesentwurf Standorten kurzerhand für drei Jahre Leistungsgruppen zuweisen, selbst wenn die Qualitätskriterien nicht erfüllt sind. Das bedeutet: Einrichtungen können Therapien, für die sie nicht besonders gut gerüstet sind, durchführen, mit fatalen Konsequenzen für die Lebenserwartung der Patienten. Sie müssen sich lediglich dafür mit den Krankenkassen abstimmen. Sogenannte Sicherstellungskliniken, die die Länder für besonders wichtig halten, bekommen die Ausnahmen von den Qualitätsvorgaben sogar unbefristet.

Janosch Dahmen, der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, spricht von einer „faktischen Rückabwicklung“ der Krankenhausreform auf Kosten der Patienten. „Dieser Entwurf ist das Ergebnis von Lobbypolitik“, sagt er. Das Gesetz in seiner ursprünglichen Form habe Ausnahmen von Standards nur zeitlich eng befristet dort vorgesehen, wo in angemessener Entfernung keine alternative Versorgung erreichbar sei, so Dahmen.

„Diese klare Vorgabe wurde gestrichen, mit fatalen Folgen. Warum sollte etwa eine Klinik in Berlin hohe Summen investieren, um Qualitätskriterien zu erfüllen, wenn ein Haus im Nachbarland Brandenburg direkt an der Landesgrenze die gleichen Leistungen abrechnen darf, ohne dieselben Standards zu erfüllen?“ Nicht nur einzelne Einrichtungen, sondern die Bundesländer würden „in einen negativen Qualitätswettbewerb geraten. Immer mehr Geld für weniger Qualität.“

Ärzte ohne Routine können Krebspatienten operieren

Problematisch kann auch eine weitere Regelung werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss, ein Gremium der Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung, kann laut dem Gesetzesentwurf in bestimmten Fällen für Krebsoperationen niedrigere Mindest-Fallzahlen festlegen. Damit können Eingriffe selbst dann durchgeführt werden, wenn die Ärzte in einem Krankenhaus keine besondere Routine damit haben.

Auch über „Kooperationen und Verbünde“ zwischen Krankenhäusern können Qualitätskriterien erfüllt werden. Ob diese Kooperationen nur auf dem Papier bestehen oder auch praktisch gelebt werden, ist in der Praxis schwer zu kontrollieren. Dabei ist schon heute die Krankenhausversorgung in Deutschland mit über 100 Milliarden Euro im Jahr die teuerste in Europa, aber schlechter als sie sein könnte. Beispielsweise verzeichnet die OECD bei uns mehr Tote nach einem Herzinfarkt als im OECD-Durchschnitt. Auch die Zahl der vermeidbaren Klinikaufenthalte ist besonders hoch.

Zunächst einmal bekommen die Krankenhäuser eine zusätzliche Geldspritze in Höhe von vier Milliarden Euro. Die AOK spricht in diesem Zusammenhang von einem „verzweifelten Festhalten an ineffizienten Strukturen“. Die Kasse befürchtet, dass die verschleppte Reform die Schwächen der deutschen Krankenhauslandschaft eher verfestigt, anstatt sie zu beseitigen. Dabei wäre es aus Sicht der AOK, auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, wichtig, zentrale, leistungsfähige Einrichtungen aufzubauen.

Ein weiterer zentraler Punkt der Reform, die sogenannte Vorhaltefinanzierung, soll nach den bisherigen Planungen vorerst auf 2030 verschoben werden. Die Vorhaltepauschalen sollen den Kliniken finanzielle Sicherheit verschaffen – unabhängig davon, wie viele Patienten sie behandeln. Aktuell sieht es weiterhin so aus, als müssten Ärzte und Pfleger so viele Patienten wie möglich so schnell wie möglich behandeln, damit die Einnahmen stimmen.

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