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Patientenschützer gegen den Hausarztzwang

Union und SPD wollen die freie Arztwahl einschränken. Experten warnen, dies erhöhe den Termindruck und die Gefahr von Fehldiagnosen

An den Plänen der wahrscheinlichen künftigen Regierungspartner, ein verpflichtendes Primärarztsystem einzuführen, regt sich Kritik. Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, verweist auf die begrenzten Ressourcen der Hausärzte. Viele seien heute schon überlastet und würden keine neuen Patienten aufnehmen. Auch das „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ befürchtet häufigere Fehler in der medizinischen Versorgung.

Vertreter der Union und der SPD versprechen sich Einsparungen von zwei Milliarden Euro bis 2028, wenn  gesetzlich Versicherte gezwungen werden, vor jedem Facharzttermin zunächst einen Hausarzt aufzusuchen. Hintergrund ist, dass Deutsche im Schnitt zehn Mal pro Jahr zum Arzt gehen. Das ist im internationalen Vergleich relativ viel. Ruth Hecker Fachärztin für Anästhesiologie und Vorsitzende des „Aktionsbündnisses Patientenschutz“, äußert allerdings Verständnis für Patienten, die auf eine Zweit- oder Drittmeinung zu einer Diagnose bestünden. Fehldiagnosen seien häufig und zum Teil schwerwiegend. Deswegen sei es naheliegend, dass sich Patienten nicht ausreichend versorgt fühlten. „Im Gegensatz zu anderen Ländern nehmen sich Ärztinnen und Ärzte bei uns im Schnitt nur fünf bis sieben Minuten Zeit für einen Patienten.“  Das dürfte oft nicht reichen, um eine Erkrankung realistisch einzuschätzen. „Was fehlt, ist eine transparente Erfassung der Qualität unserer medizinischen Behandlung“, so Hecker. „Dagegen sträuben sich die ärztlichen Körperschaften, auf Kosten der Patientensicherheit.“

Unverständnis äußert Hecker auch angesichts des Plans, Augenärzte und Gynäkologen vom Hausarztzwang auszunehmen, andere Fachrichtungen aber nicht. „Was will denn ein Allgemeinarzt mit einem Patienten mit Multipler Sklerose? Warum sollte er primär auch für andere neurologische Erkrankungen, für Rheuma, für Menschen mit chronischen Schmerzen zuständig sein?“

Die Bundesärztekammer unterstützt dagegen die Pläne für ein Primärarztsystem. Es sei gegenüber der Allgemeinheit nicht fair, wenn sich einzelne Patienten auf Kosten der Allgemeinheit aussuchten, was ihnen am besten passe, sagte Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt der „Neue Osnabrücker Zeitung“.

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